Er schmeckt verführerisch süß, versorgt uns mit einer ordentlichen Portion Energie und ist nicht nur aus der Welt der Süßwaren kaum wegzudenken. Sowohl seine Rolle in unserer täglichen Ernährung als auch seine Auswirkungen auf unsere Gesundheit erhitzen die Gemüter, und sein Ruf ist – sagen wir, wie es ist – mies. Und trotz allem lieben wir ihn: Zucker.
Mit 'Zucker' meinen wir in den allermeisten Fällen Saccharose. Dieses Kohlenhydrat besteht aus den miteinander verknüpften Einfachzuckern Glukose (Traubenzucker) und Fruktose (Fruchtzucker) und ist damit ein Zweifachzucker.
Und was man aus den unscheinbaren Kristallen von Saccharose, Glukose und Co. nicht alles zaubern kann! Bonbons, Drops, Salt Water Taffy, Fruchtgummi, Toffees, Lutscher, Fudge oder Karamell, um hier nur mal eine winzige Auswahl zu nennen. All diese Dinge haben neben dem süßen Geschmack auch die Hauptzutat gemein: Zucker. Aber was ist eigentlich der Grund dafür, dass Fudge zartschmelzend ist, während Toffee fest, aber zerkaubar daherkommt? Bonbons, Drops und Lutscher dagegen sind, je nach Verzehrstil natürlich, ein in der Regel langlebigeres Vergnügen. Kurz: ein Zucker, viele Texturen. Doch wie genau kommt das?
Schauen wir uns die Struktur von Saccharose dafür einmal ein bisschen genauer an. Dieser Zucker bildet, wie schon mit bloßem Auge gut zu erkennen ist, mehr oder weniger regelmäßige Kristalle. Und die Größe bzw. die Anwesenheit genau dieser Kristalle entscheidet nun letztlich über die Konsistenz unserer Süßigkeiten.
Aber von vorn. Die Herstellung der meisten Süßigkeiten beginnt damit, dass Saccharose in Wasser aufgelöst wird. Nimmt man dabei viel Wasser und wenig Zucker, so löst dieser sich - genau wie bei gesüßtem Tee - komplett auf. Bei zu wenig Wasser oder zu viel Zucker bleibt dagegen ein kristalliner Bodensatz zurück – die Lösung ist gesättigt.
In heißem Wasser löst sich, wieder das Beispiel Tee, der Zucker nicht nur schneller als in kaltem, es löst sich auch noch viel mehr davon. Lässt man das Ganze abkühlen, bleibt mehr Zucker gelöst, als unter diesen Bedingungen eigentlich möglich wäre. Die entstehende Lösung bezeichnet man daher als übersättigt. Sie ist metastabil. Doch was bedeutet das?
Eine übersättigte Zuckerlösung ist energiereicher als Zuckerkristalle, und damit ist nicht der Nährwertgehalt gemeint. Um das besser zu verstehen, hilft es, sich vorzustellen, man balanciere auf einem sehr schmalen Hügel. Das ist anstrengend, aber solange kein Wind weht oder man nicht geschubst wird, ist alles in Ordnung und man bleibt oben. Ein zu heftiges Lüftchen jedoch und man fällt herunter, wo man dann (endlich!) ohne Energieaufwand liegen bleiben kann.
Ähnlich verhält es sich mit dem Zucker. Seine bevorzugte, energiearme Gestalt ist der Kristall, und schon ein zu festes Klopfen der übersättigten Zuckerlösung auf die Arbeitsplatte oder ein winziger Kristall, der vom Rand des Topfes in den Sirup fällt, genügt. Ist der Startimpuls erst einmal gegeben, lagern sich immer mehr Saccharosemoleküle an den sogenannten Keim an und der Zucker kristallisiert aus. Je nachdem wie viel Zeit und Ruhe die Moleküle dafür haben, sich richtig zu orientieren, wachsen wenige große oder unzählige kleine Kristalle. Ein Beispiel: Gießt man eine übersättigte Zuckerlösung in ein Glas, lässt einen Holzstab hineinbaumeln und wartet ein paar Tage, haben die Zuckermoleküle genug Zeit, sich zu sehr großen Kristallen zusammenzulagern. So entsteht wunderschöner Kandiszucker.
Bei weichen Karamellbonbons (Fudge) dagegen unterbricht man das Kristallwachstum des Zuckers beim Abkühlen durch regelmäßiges Rühren. Auf diese Weise können sich nur ganz viele winzig kleine Zuckerkristalle bilden. Mal ganz abgesehen davon, dass bei diesen zartschmelzenden Leckerbissen zusätzliche Zutaten wie Sahne oder Butter für ein ganz besonderes Geschmackserlebnis sorgen, entsteht die spezielle Konsistenz durch die Größe, oder besser gesagt die Winzigkeit, der Zuckerkristalle.
Es gibt jedoch auch Süßigkeiten, bei denen man jegliches Kristallwachstum unterbinden muss. Bonbons und Lutscher zum Beispiel. Doch wie macht man das?
Hier kommt Glukose-Sirup ins Spiel. Der ist im Grunde eine stark eingedickte Lösung von Glukose in Wasser. Wie weiter oben erklärt, ist Glukose ein Einfachzucker. Er sorgt zusammen mit schlagartigem Abkühlen dafür, dass sich die Saccharosemoleküle nicht zu einem Kristall zusammenlagern können. Das spätere Bonbon enthält dann keinen kristallinen, sondern amorphen Zucker. Von amorphen Stoffen spricht man dann, wenn die Atome darin keinerlei Fernordnung besitzen, also nicht regelmäßig angeordnet sind. Dem sicher bekanntesten Beispiel dafür begegnen wir übrigens ständig – Fensterglas! Genau so sieht der amorphe Zucker bzw. das Bonbon später dann auch aus. Wie Glas.
Der Artikel hat dir gefallen? Ausführliche Infos zu Bonbons, Zucker und ähnlichen Themen gibt es in meinem Buch :)
Oder hast du noch Fragen? Ich freue mich über einen Kommentar!
Nikola (Studie in süß) (Dienstag, 15 September 2020 20:33)
Liebe Nina, leider muss ich ehrlich gestehen, dass ich bisher noch nicht dazu gekommen bin, das mit den fructosefreien Bonbons auszuprobieren. Schade, dass es bei dir bisher noch nicht gut geklappt hat, aber wenn du so davon erzählst, bekomme ich glatt Lust, es bald auch mal zu versuchen. Wenn ich dazu komme, lasse ich es dich wissen!
Viele Grüße,
Nikola
Nina (Mittwoch, 09 September 2020 11:13)
Hallo Nikola,
wie ist dein Experiment mit den fructosefreien Bonbons verlaufen?
Ich habe mal welche gemacht, aber die waren ganz weiß, rau, hart, voller Kristalle und gleichzeitig irgendwie klebrig, das ließ sich kaum aus der Form lösen und auch nicht besonders gut essen.
Hat keinen Spaß gemacht.
Karamell (ohne Butter oder Sahne) hat gut funktioniert, ist aber nach längerer Lagerung irgendwann wieder flüssig geworden und verklebt nun das Glas, sodass sich der Deckel nicht mehr öffnen lässt XD
Karamellsauce funktioniert auch gut, Haltbarkeit habe ich hier aber nicht getestet.
Ich werde weiter üben ...
Gruß Nina
Nikola (Studie in Süß) (Montag, 30 Oktober 2017 10:44)
Hallo Wiebke, vielen Dank für deinen Kommentar und die spannende Frage! Ich persönlich habe bisher noch keine fructosefreien Bonbons ausprobiert aber eigentlich müssten die ganz ähnlich funktionieren. Es könnte ein, dass die Bonbons schneller wieder auskristallisieren und etwas bröseliger werden, weil sie ja nur aus einem einzigen Zucker (nämlich Glucose) bestehen. Außerdem werden die Bonbons weniger süß werden, weshalb, je nach Geschmack, kleine Mengen Süßstoff nötig sein könnten. Ich habe hier noch ein Paket Traubenzucker herumstehen. Und weil du mich jetzt neugierig gemacht hast, werde ich die fructosefreien Bonbons heute Abend gleich mal ausprobieren (und natürlich berichten) :)
Außerdem kann man Traubenzucker übrigens genauso karamellisieren wie normalen Haushaltszucker. Daher sollte es kein Problem sein, richtig leckere Karamellbonbons (zum Beispiel mit Butter oder Sahne) in fructosefreier Form selber zu machen. Das ist mir nur noch zum Thema Abwechslung bei Süßigkeiten eingefallen.
Ich hoffe ich konnte ein bisschen helfen und melde mich wegen den fructosefreien Bonbons noch einmal.
Eine schöne Woche,
Nikola
Wiebke Saathoff (Sonntag, 29 Oktober 2017 20:51)
Ich möchte Bonbons für ein Kind mit Fruktoseunverträglichkeit machen. In den Rezepten ist häufig eine Kombination aus Puderzucker und Glukosesirup angegeben. In einem Hinweis hieß es, man könne bis zu 5% des Zuckers durch Glukose ersetzen. Lassen sich Bonbons und Co. auch einfach nur mit Traubenzucker oder Glukose herstellen, oder spricht etwas dagegen?
Eberhard Schwarzer, Hildesheim (Freitag, 01 Juli 2016 21:53)
Schluss mit gedankenlosem Auswickeln, in den "Mundschieben" und Lutschen von Bonbons! Jetzt blicke ich auf jedes Bonbon mit ganz anderen Augen und genieße es nur noch mit Verstand.
Ein sehr schöner Essay über Zucker, auch wenn man kein begeisterter Koch ist.